Konferenz 2021

Eine Veranstaltung der Extremismuspräventionsstelle Steiermark und des Oberlandesgerichts Graz.

Die Covid-19-Pandemie spaltet die Gesellschaft und eint gleichzeitig extremistische Strömungen aller Couleur. Gewaltaufrufe, Demokratiefeindlichkeit und antisemitische Verschwörungserzählungen sind das Ergebnis einer Vertrauenskrise, deren Mobilisierungs- und Radikalisierungspotenzial nicht zu unterschätzen ist.

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Fachkonferenz: online.extrem.radikal

Die gemeinsame Veranstaltung des Oberlandesgerichts (OLG Graz) und der Extremismuspräventionsstelle Steiermark (next) online.extrem.radikal vom 09.11.2021 beleuchtete die Rolle der sozialen Medien bei der Mobilisierung und Radikalisierung. Gerade die Covid-19-Pandemie spaltet auf der einen Seite unsere Gesellschaft und vereint auf der anderen Seite extremistische Strömungen aller Couleur. Gewaltaufrufe, Demokratiefeindlichkeit und antisemitische Verschwörungserzählungen sind das Ergebnis einer Vertrauenskrise, deren Mobilisierungs- und Radikalisierungspotenzial nicht zu unterschätzen ist. Durch folgende Expert:innen konnte die internationale, europäische, österreichische und steirische Ebene in einem spannenden Diskurs abgedeckt werden:

Prof. Peter R. Neumann, renommierter Terrorismus- und Extremismusexperte, gab Einblicke in Radikalisierungsverläufe der Einzelnen und Erklärungsmöglichkeiten. Aus seinen Forschungen wurde sichtbar, dass Radikalisierung nicht per se in den sozialen Netzwerken stattfindet, sondern im Zusammenhang mit Begegnungen und Beziehungen in der realen Welt steht. Die Theorie, dass Menschen als „einsame Wölfe“, die mit niemandem in der offline Welt Kontakt haben und sich ausschließlich zurückgezogen radikalisieren, hält er aus seinen empirischen Forschungen für eine Seltenheit. In diesem Zusammenhang wertete er am renommierten International Centre for the Study of Radicalisation – das er bis zum Jahr 2018 leitete – Facebook-, Twitter-, und Instagram-Profile von Briten aus, die als Dschihadist:innen in Syrien und dem Irak kämpf(t)en. So sammelte er einen Datensatz mit 700 europäischen Dschihadist:innen, von denen 85 Prozent für die Terrororganisation ‚Islamischer Staat‘ im Einsatz waren.

Julia Ebner, Politikwissenschaftlerin und Forscherin zu extremistischen Communities auf verschiedenen sozialen Plattformen, darunter dschihadistische Gruppen, die Identitäre Bewegung oder Neonazis. Sie hat zwei Jahre verdeckt in zahlreichen extremistischen Bewegungen — von IS Hacking-Gruppen bis hin zu weißen Nationalisten und weiblichen Frauenfeindinnen – ermittelt. Sie war auch undercover in den Netzwerken von QAnon, der Bewegung, die jetzt eine tragende Rolle in der Organisation der Anti-Corona Proteste spielt. In ihrem Online-Vortrag gab Julia Ebner Einblicke in ihre Arbeit, insbesondere auch über ihre Doktorarbeit, die sie an der Oxford University schreibt. Sie setzt sich mit dem noch unerforschten Phänomen des Einflusses der sozialen Medien auf unsere Identitätsentwicklung und welche maßgebliche Auswirkung diese auf unser Denken, Verhalten und Wissen in Zukunft haben werden.

Univ.-Prof. Thomas Mühlbacher, Leiter der Staatsanwaltschaft Leoben, bis vor Kurzem Leiter der Staatsanwaltschaft Graz, sprach über Erfahrungen aus den Verfahren gegen Extremist:innen in Graz, wie beispielsweise die Staatsverweiger:innen, Dschihadist:innen und Identitäre. Die Schwierigkeiten für die ermittelnden Behörden ist die unglaubliche Masse an gespeicherter Information und deren Auswertung. Neben Ressourcen brauche es Insiderwissen und spezifische Fachkenntnisse, um dies zu bewältigen. Gerade in Zeiten der Covid-19-Pandemie stellt sich jedoch der Zusammenschluss an extremistischen Strömungen als Amalgam dar, das schwer greifbar wird.

Susanne Pekler, Leiterin von Neustart Steiermark, hat anhand der Täter:innenarbeit gerade im Projekt “Dialog statt Hass” die Mobilisierungs- und Radikalisierungsfallen für die Betroffenen erörtert. Viele würden nicht wissen, in welchen Echokammern sie sich aufhalten und wie Informationen aus Online-Quellen und den sozialen Medien zu bewerten sind. Das Projekt „Dialog statt Hass“ zielt darauf ab, die Auseinandersetzung mit der eigenen Medienkompetenz anzuregen. Was sind Fake News? Wie kann ich – ohne zu verhetzen, zu drohen oder mich strafbar zu machen – meine kritische Meinung äußern. Denn Kritik soll erlaubt sein und es muss auch möglich sein, diese zu äußern, allerdings spielt es eine große Rolle ‚wie‘ dies geschieht.

In der Schlussfragerunde wurde erörtert, was man gegen diese Spaltung tun könne?

Prof. Neumann sieht hier und jetzt die größte Herausforderung für unsere Gesellschaft. Der Dialog und das Miteinander müssen gewahrt bleiben und jeden Tag aufs Neue versucht werden.

Julia Ebner sieht das Abdriften in private Chats und Foren als eine weitere Herausforderung, da man schwer Zugang zu diesen bekommt und die Absentierung weiter voranschreitet.

Wichtig für Susanne Pekler ist es, die Täter:innen an die Hand zu nehmen und sie nicht auszuschließen.

Prof. Mühlbacher bringt die Extremismusprävention mit einem Zitat von Franz Liszt auf den Punkt: “Eine gute Sozialpolitik ist die beste Kriminalpolitik!“.

Die Konferenz

Wir bedanken uns bei allen Teilnehmenden für ihr Interesse und zahlreiches Erscheinen.